Lean Farming in der Marktgärtnerei: Mit weniger mehr erreichen
Weniger Stress, mehr Struktur: Wie Lean Farming zu fairen Löhnen und freierem Arbeiten im Gemüsebau führt.
Lange Arbeitstage, zu niedrige Löhne und ineffiziente Abläufe sind in vielen Gemüsebaubetrieben trauriger Alltag. Doch das muss nicht so bleiben. Das Konzept Lean Farming bietet konkrete Werkzeuge, mit denen sich Arbeitsprozesse im kleinstrukturierten Anbau nachhaltig verbessern lassen – ohne dabei die Menschen im Betrieb zu überfordern.
Spätestens seit Ben Hartmans Buch The Lean Farm ist klar: Die Prinzipien des Lean Managements, ursprünglich aus der japanischen Autoindustrie, lassen sich erstaunlich wirksam auf Gemüsebaubetriebe übertragen. Es geht nicht darum, hektischer zu arbeiten – sondern klüger. Mit klaren Standards, schlanken Strukturen und wiederholbaren Abläufen kann die Energie im Betrieb besser eingesetzt werden. Das Ziel: mehr Wirksamkeit, weniger Stress.
Vom Chaos zur Klarheit: Was Lean Farming wirklich bedeutet
Sebastian Girmann von der Gärtnerei Biotop Oberland zeigt in seinem Online-Seminar, wie genau das gelingen kann. Sein Betrieb versorgt über 450 Haushalte mit Gemüse und arbeitet ausschließlich mit Teilzeitkräften. Damit das funktioniert, braucht es Standards, die tragen. Sebastian spricht lieber von Wirksamkeit als von Effizienz – weil es letztlich darum geht, dass Zeit und Energie zu einem spürbar besseren Ergebnis führen.
Dabei geht es nicht nur um Maschinen oder Anbautechnik, sondern auch um Kommunikation, Teamkultur und die bewusste Frage: Was können wir weglassen, ohne Qualität zu verlieren? Welche Tätigkeiten erzeugen echten Mehrwert – und was ist reine Gewohnheit?
Die 5S-Methode: Ordnung mit System
Ein zentraler Bestandteil des Lean Farming ist die sogenannte 5S-Methode:
- Sortieren – Alles Unnötige aussortieren
- Systematisieren – Alles hat seinen festen Platz
- Säubern – Sauberkeit erhält Ordnung und Klarheit
- Standardisieren – Abläufe, Lagerorte, Zuständigkeiten klären
- Selbstdisziplin – Die Struktur im Alltag leben und weiterentwickeln
Diese Methode hilft dabei, nicht nur Werkzeuge und Materialien sinnvoll zu organisieren, sondern auch interne Abläufe zu klären und wiederkehrende Reibungsverluste zu vermeiden.
Von der Theorie zur Praxis: Beispiele aus der Biotop Oberland
Im Seminar zeigt Sebastian anhand zahlreicher Beispiele, wie sich Lean Farming konkret umsetzen lässt. Ob Tomatenpflege, Waschprozesse oder Flächenorganisation: Schon kleine Verbesserungen sparen viel Zeit, wenn sie konsequent gedacht sind. Ein Beispiel: Durch die Optimierung einzelner Arbeitsschritte ließ sich in einem Tomatenhaus mit 440 Pflanzen pro Pflegegang über 30 Minuten Arbeitszeit einsparen.
Auch der Umgang mit Teilzeitkräften wird durch Standards einfacher. Klare Abläufe und dokumentierte Zuständigkeiten vermeiden Missverständnisse und machen den Betrieb insgesamt unabhängiger von einzelnen Personen.
Mehr Lebensqualität im Gemüsebau
Lean Farming ist kein Selbstzweck. Es geht darum, dauerhaft wirtschaftlich arbeiten zu können – und dabei genug Energie für ein erfülltes Leben zu behalten. Sebastian nennt das “den Betrieb beherrschen, statt vom Betrieb beherrscht zu werden”. Mit der richtigen Struktur sind freie Wochenenden, Urlaub und faire Löhne keine Illusion, sondern realistische Ziele.
Das Online-Seminar richtet sich an angehende Gärtner*innen ebenso wie an erfahrene Betriebe, die ihre Arbeitsweise hinterfragen und verbessern wollen. Es liefert nicht nur Impulse, sondern ganz konkrete Methoden für mehr Struktur, Klarheit und Wirksamkeit im Betriebsalltag.